Brust- und Eierstockkrebs
Brustkrebs ist die häufigste Krebserkrankung bei Frauen. Man geht davon aus, dass jede 10. Frau im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs erkrankt. In Deutschland sind es pro Jahr 69.000 Frauen. 5 bis 10 Prozent gehen auf eine autosomal-dominant vererbte Prädisposition zurück. Etwa 50 Prozent dieser erblichen Form werden durch eine Mutation in dem Gen BRCA1 oder BRCA2 verursacht.
Mit hoher Wahrscheinlichkeit kann erst eine zweite, im Laufe des Lebens hinzukommende Mutation in dem jeweils homologen Gen zum Ausbruch der Krebserkrankung führen. Man schätzt, dass in Deutschland 60 bis 69 Prozent der Träger einer BRCA1-Mutation und 50 bis 74 Prozent der Träger einer BRCA2-Mutation bis zu ihrem 70. Lebensjahr an Brustkrebs erkranken. Männliche Mutationsträger haben ebenfalls ein erhöhtes Krankheitsrisiko: 2 Prozent der Träger einer BRCA1-Mutation und 7 Prozent der Träger einer BRCA2-Mutation erkranken bis zu ihrem 70. Lebensjahr an Brustkrebs.
Eierstockkrebs ist eine extrem aggressive Tumorerkrankung. Auch hier ist das Risiko für Mutationsträger hoch. 35 bis 59 Prozent mit einer BRCA1-Mutation und 11 bis 17 Prozent mit einer BRCA2-Mutation erkranken an dem Tumor bis zu ihrem 70. Lebensjahr.
BRCA1 und BRCA2 bezeichnet man als Hochrisikogene. Pathogene Mutationen in den Risikogenen ATM, BARD1, CHECK2, PALB2, RAD51C und RAD51D sind ebenfalls signifikant mit dem Auftreten von HBOC verknüpft. Das gilt in etwas geringerem Maße auch für die Gene CDH1, MSH6 und TP53; deren Defekte bringen allerdings ein zusätzliches Risiko für andere Krebsarten mit sich. Als Kandidatengene für HBOC werden BRIP1, FANCM und NBN bezeichnet – ihre Krebs-auslösenden Wirkung ist noch nicht sicher belegt.
Die genetische Diagnostik verfolgt zwei Ziele:
Ist bei einer Indexpatientin die Erblichkeit des Tumors durch die Identifikation der die Krankheit auslösenden Mutation gesichert, kann man mit relativ einfachen molekularen Werkzeugen die Risikoträger in der Familie der Betroffenen ermitteln. Diesen steht das außerordentlich wirkungsvolle, verdichtete Vorsorgekonzept zur Verfügung.
Immer mehr beeinflusst der Charakter der molekularen Störung die Behandlung der betroffenen Personen. So ist für HER2-negative Betroffene bei Vorliegen einer pathogenen Mutation in den Genen BRCA1 oder BRCA2 inzwischen die PARB-Inhibitor-Behandlung mit Olaparib der Standard.
Frauen mit einer pathogenen Mutation in einem der (Hoch-) Risikogene haben ein hohes Risiko, im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs oder Eierstockkrebs zu erkranken. Allen Mutationsträgerinnen mit stark erhöhtem Erkrankungsrisiko wird das intensivierte Brustkrebs-Früherkennungsprogramm empfohlen. Die Kosten dafür werden von der Krankenkasse übernommen. Eine wirksame Vorsorgeuntersuchung für den Eierstockkrebs existiert nicht.
Alle 6 Monate
(ab dem 25. Lebensjahr oder 5 Jahre vor dem frühesten Erkrankungsalter in der Familie):
• Tastuntersuchung der Brust durch den Arzt
• Sonographie der Brust
Alle 12 Monate
• Mammographie der Brust (ab dem 30. Lebensjahr)
• MRT der Brust (ab dem 25. Lebensjahr oder 5 Jahre vor dem frühesten Erkrankungsalter in der Familie und in der Regel nur bis zum 55. Lebensjahr)
Die humangenetische Beratung spielt bei Brust- und Eierstockkrebs eine große Rolle. Die molekulargenetische Untersuchung der beiden Gene ist aufwändig und kostenintensiv. Durch die Erhebung der Familienanamnese kann der Humangenetiker die Mutations- bzw. Erkrankungswahrscheinlichkeit für nähere Verwandte der Indexpatientin bestimmen. Durch die Stammbaumanalyse einer Familie können die kassenrechtlichen Voraussetzungen für eine Mutationsanalyse geklärt werden.
Auf dem Gebiet des familiären Brustkrebses und des familiären Eierstockkrebses arbeiten wir mit der gynäkologischen Abteilung der Hochtaunus-Kliniken zusammen (Chefarzt Prof. Dr. Dominik Denschlag, Oberärztin Frau Dr. med. Uta Schindelin).
Indikation
Familienkonstellationen mit erhöhter Mutationswahrscheinlichkeit (Auszug S3 Leitlinie):
• mindestens drei an Brustkrebs erkrankten Frauen aus der gleichen Linie einer Familie, unabhängig vom Alter der Erstdiagnose
• mindestens zwei an Brustkrebs erkrankten Frauen aus der gleichen Linie einer Familie, davon eine mit einem Ersterkrankungsalter vor dem 51. Lebensjahr
• mindestens zwei an Eierstockkrebs erkrankten Frauen aus der gleichen Linie einer Familie
• mindestens einer an Brustkrebs erkrankten Frau und mindestens eine an Eierstockkrebs erkrankte Frau oder eine an Brust- und Eierstockkrebs erkrankte Frau
• mindestens einer an Brustkrebs erkrankten Frau vor dem 36. Lebensjahr
• mindestens einer an beidseitigem Brustkrebs erkrankten Frau, deren Ersterkrankung vor dem 51. Lebensjahr diagnostiziert wurde
• mindestens einem an Brustkrebs erkrankten Mann und zusätzlich einer an Brust– oder Eierstockkrebs erkrankten Frau
• mindestens einer an triple-negativem Brustkrebs erkrankten Frau vor dem 60. Lebensjahr
• mindestens einer an Eierstockkrebs erkrankten Frau vor dem 80. Lebensjahr
Molekulargenetische Diagnostik
Mittels der Next Generation Sequencing (NGS)-gestützten Panel-Diagnostik werden bei Erfüllen der Indikationskriterien die Gene BRCA1, BRCA2, CHEK2, RAD51C, RAD51D, PALB2, ATM, BARD1, CDH1, MSH6 und TP53 analysiert. Darüber hinaus werden große Deletionen und Duplikationen in diesen Genen mittels CNV-Analyse untersucht. Große Deletionen und Duplikationen in den Genen BRCA1 und BRCA2 werden zudem mittels MLPA analysiert.